In Mesum wird der dritte Schützenverein gegründet
Dass es in einem Ort mit weit mehr als 8000 Einwohnern wie Mesum, nur zwei Schützenvereine mit überdurchschnittlich großer 900 Mitgliederzahl gibt, ist hierin der Region eine Seltenheit. Vergleichbare Gemeinden wie Neuenkirchen und Wettringen kennen etliche Vereine, die sich dem Schützenwesen widmen. Es gibt noch eine zweite Merkwürdigkeit: Die Dorfschützen verfügen heute über drei Fahnen, weil sie sich genau betrachtet in der Nachfolge von drei Vereinen sehen. Man muss ein wenig in den dörflichen Annalen blättern, um dies zu erklären.
Vorgeschichte zu einem neuen Schützenverein
Bei den Recherchen in alten Quellen und Unterlagen entdeckt man schnell, dass es auch in Mesum schon weit vor 1877, was die dörfliche Schützenvereinigung Mesum als ihr Entstehungsjahr angibt, Schützen gab, die hier ihr alljährliches Fest feierten. So sind zum Beispiel 1828 in einer Auflistung des Rheiner Amtmannes Forstmann, als er der Regierung über die Schützenvereine im hiesigen Raum berichten musste, für Mesum mit seinen etwa 750 Einwohnern gleich zwei entsprechende Vereine genannt: einer für Mesum-Dorf, einer für Mesum-Kirchspiel. Darüber erzählt ausführlich die Chronik der Dorfschützen, die zum 100-Jährigen des Vereins 1977 verfasst wurde.
Dorf und Kirchspiel, letzteres umfasste die Hofstellen in den vier kleinen Bauerschaft rings um den Dorfkern, waren damals mit je einer eigenen Bürgervertretung samt Vorsteher auf unterster politischer Ebene eigenständige Einheiten und bildeten das Amt Mesum, das wiederum mit der Stadt und angrenzenden Amtsgemeinden mit Max Forstmann einen Amtmann als Verwaltungsspitze in Rheine besaß. Wie, wo und wann damals in Mesum Schützenfest gefeiert wurde, berichtet er nicht. Erst aus dem Jahre 1877 gibt es in Form eines Königsnamens nähere Informationen dazu. Schriftliche Unterlagen existieren erst aus der folgenden Zeit.
Als sich dank Eisenbahn und Textilindustrie bis zur Jahrtausendwende 1900 die Einwohnerzahl auf etwa 1400 nahezu verdoppelt hatte, kam vermehrt der Wunsch nach einem weiteren Schützenverein auf. Zumal der Verein im Dorf nur Junggesellen als Mitglieder kannte und in dem verheiratete Männer keinen Zutritt hatten. Vor allem am Rande des weiten Mesumer Feldes und westlich der Bahn hatten sich zunehmend Arbeiter angesiedelt. Ihr Anliegen ging mit der Gründung eines zweiten Schützenvereins in Erfüllung: „Zu der am 19. Dezember 1910 einberufenen Versammlung hatten sich die Eingesessenen vom Mesumer Bezirk Feld zahlreich eingefunden.“ So berichtet die Festschrift „100 Jahre Bürgerschützenverein Mesum-Feld 1910 e.V.“ über die Vereinsgründung.
1913: Der dritte Schützenverein
„Der Erfolg der Feldschützen regte andere Mesumer zur Nachahmung an. Schon 1913 riefen sie einen neuen, den nunmehr dritten Schützenverein in Mesum ins Leben. Der Verein nannte sich ‚Schützenverein Kolge, Thie und Venn‘.“ Damit beschreibt die eben schon genannte Chronik der Dorfschützen die allernächste Entwicklung vor Ort im Schützenwesen. Die Jahre vor dem 1. Weltkrieg waren eine bewegte Zeit des Aufbruchs und des wirtschaftlichen Aufstieges, wie es auch in Mesum spürbar wurde und hier nur mit ausgewählten Daten belegt werden soll: 1904 Bildung der Ortsgruppe Mesum der Textilarbeitergewerkschaft und Bau der Johannesschule, 1906 Gründung der freiwilligen Feuerwehr, 1909 Bau des ersten Krankenhauses, 1910 Aufbau des Gemeindewerkes zur Elektrifizierung und Bau der Josefschule, 1911 Gründung der KAB, 1914 erste „Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft eGmbH Mesum“ und Einrichtung des „Sektionsbezirks Mesum der Allgemeinen Ortskrankenkasse des Kreises Steinfurt“.
Schauen wir nun auf den neuen „Schützenverein Kolge, Thie und Venn“. Sein Einzugsgebiet wird im Namen umschrieben. Es umfasste den nördlichen Ortsteil mit Nielandstraße, Thiestraße, Hohe Heide, Rheiner Straße und Kolge. Nach kurzer Zeit erlebte eine erste Blütezeit. Vermutlich feierten die Junggesellen von 1877 ihr Schützenfest nach wie vor Anfang August, wie es der Nachfolgeverein heute noch hält. Alternativ dazu wählte der neue Verein den Kirmesmontag als Festtag. Dazu stellte er sein Festzelt vor dem historischen „Kronenhof“ (später Kino und Diskothek „Albatros/Trosse“, inzwischen abgerissen) auf. Der Überlieferung nach waren diese Feste ein Höhepunkt im dörflichen Leben.
Die Schießanlage lag dagegen weit im Norden Mesums in einem romantischen Waldstück auf „Grönings Hof“. Heute erinnert im neuen Baugebiet noch ein Straßenname an diese Geschichte. Die historischen Hofgebäude, die nahe der heutigen Mariengrotte standen, sind dort längst abgebrochen. Einst wurden sie von der alteingesessenen Familie Hesping, die dort seit dem Mittelalter nachweisbar ist, bewirtschaftet. Als um die Jahrhundertwende keine männlichen Erben die Nachfolge antreten konnten, kaufte Gröning den Besitz. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten veräußerte dieser ihn wieder, um den Bestand seines Unternehmens zu sichern. Da kein Käufer für den Gesamthof gefunden werden konnte, erwarben viele Mesumer Dorfbewohner damals einzelne Grundstücke daraus.
1924: Entwicklung zum „Allgemeinen Bürger-Schützen-Verein“
Begleiten wir den jungen Verein von 1913 über die nächsten Jahre. 1914 brach der 1. Weltkrieg aus und brachte wie überall jegliches Vereinsleben zum Erliegen. Dann folgten die schwierigen Nachkriegsjahre mit wirtschaftlichen Notzeiten und Inflation 1922/23. Möglicherweise mangelte es inzwischen an Nachwuchs und Mitgliedern im ausgewiesenen Bezirk. Darüber fehlen jegliche schriftlichen Unterlagen. Jedenfalls steht fest, dass es 1924 zu einer Umstrukturierung, vielleicht auch zu einer Neugründung kam: Sie führte zu einer Erweiterung, dokumentiert in der Namensänderung zu „Allgemeiner Bürger-Schützen-Verein Mesum“. Damit grenzte man sich auch inhaltlich von den dörflichen Junggesellen ab und nahm alle Bürger, auch die verheirateten, auf.
Als die Bürgerschützen 1925 ihre Fahnenweihe feierten, besaßen sie keinen eigenen Spielmannszug und mussten sich die Musik vom Nachbarverein ausleihen. Nach wie vor bildeten im Dorf die Junggesellen die aktivere, größere Gemeinschaft. Es kam darüber hinaus zu einigen Gemeinsamkeiten, sichtbar beim Betrieb des Schießplatzes. So versuchte man zusammen 1930 eine solche Anlage zu schaffen. Es kam allerdings zunächst aus ungeklärt bleibenden Gründen nicht dazu. Es mag damals an den bitteren Folgen der Weltwirtschaftskrise gelegen haben. Bekannt ist, dass in dieser Zeit die Bürgerschützen einige Male auf ein eigenes Schützenfest verzichteten. 1934 führten sie kurzzeitig auf ihrem Gelände am „Hespingschen Hof“ (gemeint ist damit „Grönings Hof“) mit den Junggesellen einen Schießplatz.
Das Ende des dritten Schützenvereins ist schnell erzählt: Schon bald nach der Machtübernahme 1933 durch das NS-Regime wurde mit mehr oder weniger Nachdruck durch die politische Führung darauf hingewirkt, Bürgerschützen und Junggesellen im Dorf zu einem Verein zu verbinden. Das entsprach der NS-Politik, die damit vor Ort den Schießsport als Wehrertüchtigung fördern wollte. Am 17. Juli 1937 kam es nach längeren Verhandlungen zum Zusammenschluss unter dem neuen Namen „Schützenvereinigung Mesum 1877“. Der Zwangsfusion widersetzen sich in diesen Jahren erfolgreich die Feldschützen.
Ein Schützenverein – drei Fahnen
Was vom dritten Schützenverein bis heute blieb, ist seine Vereinsfahne. Sie entstand 1925 und zeigt auf der Vorderseite die allgemein bekannten Elemente der Schützensymbolik (Adler, Scheibe, gekreuzte Gewehre, Eichenlaub) und die damals sehr geläufige Spruchweisheit „Sicheres Auge, feste Hand und ein Herz für’s Vaterland“. Beachtenswert ist die Rückseite mit dem Schriftzug „Bürger-Schützenverein gegr. Mesum 1913“ und dem farbigen Wappenschild in der Mitte. Darin fallen die Bienen auf als Zeichen für Bürgerfleiß und Spindel und Schiffchen als Hinweise auf Mesums Textilindustrie, die für Aufschwung und Wohlstand im Dorf sorgte.
Die Bürgerfahne wurde ab 1937 bei den Schützenfesten neben der Junggesellen-Fahne mitgeführt, um die Vereinigung aus zwei vorher selbständigen Einheiten zu dokumentieren. Seit 2010 gibt es bei den Dorfschützen eine neue und damit die dritte Fahne. Sie ist völlig neu und modern gestaltet und steht als Symbol dafür, dass 1937 ein ganz neuer Verein entstand, der sich in der Tradition seiner beiden Vorgänger sieht.
Bilder: Greiwe
Die beiden Seiten der Fahne der Bürgerschützen von 1913
Die ältere Fahne der Junggesellen von 1877
Das Fotodokument von 1929 zeigt vermutlich eine Gruppe von Mesumer Bürger als Mitglieder im „Allgemeinen Bürger-Schützenverein“
Auf dem Foto aus den 1920-er Jahren handelt es sich um weitgehend junge Männer aus dem Venn, die wahrscheinlich damals Mitglieder des neuen Schützenvereins waren
Heute besitzt die Schützenvereinigung Mesum 1877 e.V. drei Vereinsfahnen