Es fehlen heute positive Vaterfiguren und Männerbilder

Dass Jungen heute in Kindergarten und Schulzeit auf eine männliche Bezugsperson treffen, „diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering“, führte der Dipl.-Päd. Dirk Achterwinter in einem gut besuchten Vortrag in der Aula der Don-Bosco-Hauptschule aus. Er zeichnete eine bekanntes Bild nach: Für die Erziehung zu Hause sorgt die Mutter, im Kindergarten trifft er auf Erzieherinnen, in der Grundschule auf Lehrerinnen. Denn im Kindergarten sind knapp vier, in der Grundschule 13 Prozent des Personals männlich. Erst im Gymnasium ist das Lehrerkollegium im Schnitt pari besetzt: 49 Prozent Männer.

Eine Veränderung zugunsten der Jungen sei nicht in Sicht. Es finde eine Entwertung des Erzieher- und Grundschullehrerberufes über das Gehalt statt, so Dirk Achterwinter: „Vom Gehalt eines Erziehers kann niemand eine Familie ernähren.“ Zudem sei das Gefälle zwischen einem Studiendirektor zu einem Grundschullehrer viel zu groß.

Die Ausgangsthese war für den Abend damit klar formuliert: Jungen und Männer sind zur Zeit noch die Verlierer der Emanzipationsbewegung. Während Mädchen und Frauen aktiv an ihrem Rollenbild und ihrem Selbstverständnis gearbeitet haben, sind die Männer und damit vor allem die Jungen in die Defensive geraten. Erst seit dem Aufkommen einer Männerbewegung entwickelt sich langsam ein neues Männerselbstverständnis. Aber, so formulierte Dirk Achterwinter, „fehlen heute weitgehend positive Vaterfiguren und Männerbilder, die den Jungen bei der Suche nach ihrer männlichen Identität als Vorbild dienen können“.

Diese seit Jahren bekannte Situation war der Anlass, für die Grundschulen und Kitas im Südraum Rheine, die seit langem sehr eng kooperieren, zu einem Elternabend zum Thema „Wo bleiben die Jungen?“ einzuladen. Barbara Schwenen, Schulleiterin in Hauenhorst, sagte in ihrem Grußwort, es sei Zeit für diese Frage. Das bestätigte nachdrücklich als zweiter Referent der Dipl.-Psychologe Dr. Wolfgang Settertobulte. Viele Untersuchungen hätten bestätigt, dass die Jungen heute vielfältig benachteiligt seien.

Dafür nannte er Beispiele: schlechtere Schulabschlüsse, bei gleichen Leistungen im Schnitt eine um eine Schulnote schlechtere Bewertung, fast nur verhaltensgestörte Jungen, mehr Schulabbrecher. Jungen seien gesundheitlich stärker belastet, psychisch weniger belastbar und weit auffälliger. „Spaßkämpfe“, die früher als harmlos abgetan worden seien, würden heute als gewaltbereit eingestuft und gewertet.

Die beiden Referenten präsentierten das interessante Thema betont locker und kurzweilig. Am Anfang stand eine Publikumsbefragung. Darin sollten alle ihr Meinungsbild zu Jungen und Mädchen und zu einem idealen Kind abgeben. Dabei zeigte sich, dass Jungen immer noch bestimmte Eigenschaften wie hart, mutig und lebhaft zugetraut werden. Dabei war das Publikum durchaus erfreulich und eigentlich untypisch, so Dr. Wolfgang Settertobulte, „gut gemischt: rund ein Drittel Väter“.

In der lebhaften Diskussionsphase gab es viele Tipps für die Familien, Kitas und Grundschulen, vor allem für die Väter: „Viel Zeit nehmen für die Söhne und dabei auch mal Kuscheln!“ Vorgeschlagen wurden Vater-Sohn-Projekte an den Bildungseinrichtungen. Zwei Standardwerke wurden empfohlen für Ratsuchende: „Kleine Helden in Not“ von Dieter Schnach/Rainer Neutzling und „Jungen! Wie sie glücklich heranwachsen“ von Steve Biddulph.


Schulleiterin Barbara Schwenen (v.r.) begrüßte die Referenten: Dipl.-Psychologe Dr. Wolfgang Settertobulte und Dipl.-Päd. Dirk Achterwinter


Lebhaft beteiligte sich das Publikum, u.a. bei der experimentellen Befragung

Text und Bilder: Franz Greiwe