Neue Straßennamen in Mesum-Nord (2)

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das neue Wohngebiet „Mesum-Nord“ in naher Zukunft im Volksmund die Bezeichnung „Bürgermeisterviertel“ bekommen wird Denn die Hälfte der sechs neuen Straßennamen ist den drei ehemaligen Bürgermeistern gewidmet, die seit Kriegsende bis zur kommunalen Gebietsreform 1974 in Mesum ihren ehrenamtlichen Dienst versahen und die Geschicke der Gemeinde lenkten. Es ist zugleich ein schöner Zufall, dass alle drei einst entweder im Bereich oder nahe des neuen Wohngebietes lebten.

Albert-Stienemann-Straße
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Raum Rheine am 3. April 1945 und dem Einmarsch der alliierten Truppen brachen vor Ort das NS-Regime und die öffentliche Verwaltung und Ordnung endgültig zusammen. Sehr bald setzten die englischen Besatzungstruppen erste Gemeindevorsteher ein. In Mesum war das Josef Kamp, der allerdings schon im Frühjahr 1946 wieder abberufen wurde.

Bevor jedoch 1946 die ersten freien Wahlen durchgeführt und die neue, demokratische Gemeindeordnung eingeführt werden konnten, beriefen die Engländer provisorische Gemeindevertretungen, die auch ihren ersten Bürgermeister wählten. In Mesum war dies der parteilose Albert Stienemann. Er wurde später Mitglieder der Zentrumspartei, die ihn auch für die ersten freien Kommunalwahlen am 17. September 1946 nominierte. Das Zentrum gewann in Mesum diese Wahl und zog mit 13 Ratsvertretern in den neuen Gemeinderat ein. Zwei Sitze fielen auf die gerade gegründete CDU.

Der neue Rat erkor am 23. September 1946 Albert Stienemann zum ersten frei gewählten Bürgermeister und delegierte ihn außerdem in die Amtsvertretung. Beide Ämter bekam er auch nach der folgenden Kommunalwahl am 17. Oktober 1948 übertragen.

Albert Stienemann wurde am 4. April 1899 in Mesum geboren. Von seinem Vater erlernte er das Friseurhandwerk und übernahm 1933 dessen Rasierstube. Daneben betrieb er in seinem Haus an der Ecke Feuerstiege/ Nielandstraße noch eine Parfümerie, einen Stahlwarenhandel und eine Schleiferei. 1941 kam vorübergehend noch der Verkauf von tabaksteuerpflichtigen Erzeugnissen hinzu.

Als er am 21. Juni 1951 überraschend verstarb, ehrte ihn die Gemeinde als „ehrenamtlichen Bürgermeister, lauter im Charakter, klug im Handeln und sozial im Empfinden, der für jeden seiner Mitbürger das Beste wollte“.

Sein wichtigstes Anliegen in seiner Amtszeit als Bürgermeister war die Behebung der schweren Nachkriegsnöte in der gesamten Gemeinde. Es fehlte buchstäblich an allem. Besonders sorgte er sich um die Belange der Kriegsopfer und die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und Vertriebenen, von denen die ersten schon im Sommer 1946 ankamen. Für sie galt es nicht nur Wohnraum, sondern auch Lebensmittel, Heizmaterial, Kleidung und Arbeit zu beschaffen. Dabei bereitete ihm die manchmal nur zwangsweise vorzunehmenden Einquartierungen der Vertriebenen bei den Einheimischen große Sorgen.

Um den Neubürgern schnell helfen zu können, scheute er auch ungewöhnliche Wege nicht. Um Bauland für Siedlungswillige zu bekommen, war der Rat sogar bereit, 1949 ein Gelände an der Bürgerstraße zu enteignen. Als Gartenland stellte er ein Drittel des Marktplatzes zur Verfügung. Es war darum für Bürgermeister Stienemann eine besondere Freude, als am 15. Juni 1949 westlich im weiten Mesumer Feld der erste Spatenstich für eine neue, große Siedlung erfolgen konnte.

Fortan setzte er sich nachdrücklich dafür ein, in diesem Ortsteil hinter der Bahn die notwendige Infrastruktur mit Schule, Kirche, Kindergarten, Straßen und Kanalisation zu erstellen. Leider war es ihm wegen seines frühen Todes nur vergönnt, für diese Baumaßnahmen die notwendigen Weichen zu stellen. Die Fertigstellung, z.B. die Einweihung der Marienschule im Feld am 2. Oktober 1951 und die des Kindergartens 1956 erlebte er nicht mehr mit. Ähnliches gilt für das Stickenhover-Stadion, für das der Bau noch 1950 begann, das aber erst ein Jahr später eingeweiht werden konnte.


Albert Stienemann, von 1946 bis 1951 Bürgermeister

Heinrich-Hembrock-Straße
Wie sein Vorgänger im Amt gehörte auch Heinrich Hembrock unmittelbar nach Kriegsende 1945 zu den Männern der ersten Stunde, die von der englischen Besatzungsmacht in den ersten benannten Gemeinderat berufen wurden, um in schwerster Zeit das von den Nazis hinterlassene Chaos zu beheben und eine demokratische Ordnung aufzubauen.

Der gelernte Telegraphenarbeiter und spätere Postbeamte Heinrich Hembrock wurde am 30. Mai 1894 in Ibbenbüren geboren und ehelichte 1921 in Mesum die Fabrikarbeiterin Bernardine Hinterding. Er trat der in Mesum dominierenden Deutschen Zentrumspartei bei. Der hielt er auch nach 1961 noch die Treue, als viele seiner Parteifreunde nach der Auflösung der Ortspartei in Mesum zur CDU übertraten. 1964 zog er sich aus der aktiven (Kommunal)Politik zurück und starb am 24. August 1980.

Am 23. September 1946 wählten ihn die Mesumer erstmals in den Gemeinderat, dem er dann vier weitere Ratsperioden bis Ende 1964 angehörte. Ferner gehörte er im gleichen Zeitraum auch der Amtsvertretung an. Nach dem Tode von Albert Stienemann wählte ihn der Gemeinderat 1951 zum neuen Bürgermeister und übte dieses wichtige Ehrenamt zehn Jahre lang bis 1961 aus.

Seine Amtszeit als Bürgermeister war, nach der Beseitigung der allergrößten Nachkriegsprobleme, geprägt vom Wiederaufbau der Infrastrukturen. So setzte er die Arbeit seines Vorgängers Stienemann zielstrebig fort und legte den Grundstein für den Ausbau des Ortsteils Feld: Nachdem 1950 dort in der Siedlung die ersten fünf Häuser bezogen werden konnten, setzte ein Bauboom ein. 1951 wurde die neue Volksschule eingeweiht, 1953 gleich daneben ein Bauplatz für einen Kindergarten und eine Kirche erworben. Allerdings kam es 1956 nur zum Bau des Kindergartens (später Bernoldinehaus).

Dank auch des allgemeinen Wirtschaftswunders blühte das gewerbliche Leben in Mesum in den 1950-er Jahren auf: Viele kleine Geschäfte, auch im Lebensmittel- und Gasthausbereich, entstanden neu, die alte „Wichterschole“ an der Bahnhofstraße wurde 1956 verkauft und in ein Geschäftshaus umgewandelt, 1956 bekamen die evangelischen Christen ihr eigenes Gotteshaus.

Untrennbar mit dem Namen Heinrich Hembrock verbunden ist der Neubau des Krankenhauses im Feld. 1959 wurde er stellvertretender Vorsitzender im „Schwesternhaus-Verein e.V.“, dem Träger des alten Hauses, aus dem das Kuratorium des neuen Krankenhauses entstand. Das ernannte ihn noch 1959 zum Vorsitzenden des Neubau-Ausschusses. Als solcher engagierte er sich nachhaltig und innovativ für die Haussammlungen, um den Neubau finanzieren zu können. Dabei ging er sehr geschickt vor und teilte Mesum in 60 Sammlerbezirke ein. Fleißige Helfer sammelten bei regelmäßigen Besuchen innerhalb ganz weniger Jahre in den Mesumer Haushalten insgesamt die heute unvorstellbar große Summe von 333 000 DM für das neue Krankenhaus.

Wenn auch nicht mehr als Bürgermeister, aber dennoch als Bürger erlebte er am 30. März 1967 nach langer Planungs- und Bauzeit die Einweihung des neuen Marien-Hospitals an der (heutigen) Nasigerstraße. Miterleben musste er dann allerdings auch noch, dass schon genau auf den Tag elf Jahre später das Mesumer Krankenhaus schließen musste. Heute dient es als Mathias-Stift der Betreuung alter Menschen.


Heinrich Hembrock, von 1951 bis 1961 Bürgermeister

Franz-Sievers-Straße
In der Reihe der Mesumer Bürgermeister wird Franz Sievers für immer der letzte sein. Denn er leitete als Vorsitzender den letzten Gemeinderat, ehe Mesum zum 1. Januar 1975 im Zuge der kommunalen Neugliederung die Selbständigkeit verlor und in der neuen Stadt Rheine aufging. Er zählt wegen seiner jahrzehntelangen Zugehörigkeit im Rat zu den verdienstvollsten Kommunalpolitikern in Mesum. Denn er wurde schon 1946 in den ersten Gemeinderat nach dem Krieg gewählt und gehörte danach weiterhin ununterbrochen allen Räten über 28 Jahre bis Ende 1974 an.

Franz Sievers wurde am 31. Oktober 1914 in Mesum geboren, erlernte nach seiner Schulzeit in der heimischen Textilindustrie den Beruf des Webers und arbeitete bis zur Schließung des Unternehmens als Textilmeister in der Firma Kettelhack. Er starb am 7. Juni 1983.

Im Jahre 1961 wählte ihn der Gemeinderat zum Beginn der neuen Ratsperiode zum Gemeindebürgermeister. Außerdem war von 1952 bis 1974 Mitglied in der Amtsvertretung. Als eines der jüngsten Ratsmitglieder im Alter von 32 Jahren lernte er bei seiner kommunalpolitschen Arbeit die vielen Schwierigkeiten und Probleme der Nachkriegszeit hautnah vor Ort kennen. Maßgeblich konnte er dabei den mühsamen Aufbau der Gemeinde mitgestalten.

Als Bürgermeister erlebte er eine Phase des Aufschwungs, aber auch der bitteren Enttäuschungen wie die schwere Textilkrise zu Anfang der 1970-er Jahre mit Werksschließungen in Mesum und den Verlust der Selbständigkeit mit. In seine Amtszeit fielen so herausragende Projekte wie die Schulerweiterung an der Johannesschule mit dem Bau der ersten Turnhalle 1966, den Ausbau des Kanalisationsnetzes und sehr vieler Gemeindestraßen und die Erschließung neuer Gewerbegebiete wie Mesum-West. Ebenso erinnert man sich an den Bau des Feuerwehrgerätehauses 1966, an die Eröffnung des Spielplatzes „Hasenhöhle“ und Einweihung des HOT 1971, an die Anlage des Pfarrparkes 1973, an die Einweihung der Begegnungsstätte „Josef-Kamp-Haus“ und an den Kindergartenneubau mit vier Gruppen 1974 im Feld.

Ein besonders großes Ereignis von historischem Rang war der Bau des Schul- und Sportzentrums im Hassenbrock. Wenngleich die offizielle Eröffnung und Inbetriebnahme insgesamt erst im Jahr 1975 erfolgen konnten (am 1. April die Sporthalle, am 1. Mai die Don-Bosco-Hauptschule und am 1. August 1975 das Hallenbad), so fielen doch sämtliche Vorberatungen und Planungen, Beschlüsse und Genehmigungen dazu in seine letzte Amtszeit.

Gerade der Sport war ihm immer ein Anliegen. So engagierte er sich seit seiner Jugend aktiv im SV Mesum, dem er zudem in schwerer Aufbauzeit von 1945 bis 1953 als Vorsitzender vorstand.


Franz Sievers, von 1961 bis 1974 Bürgermeister

Bilder: Repro Greiwe
Text: Franz Greiwe