Vom Läuten in den Osterbrauchtum: De Glocken sin nao Rom fluogen

Die Zeit vor und an den Ostertagen war von altersher reich an schönen Bräuchen und religiösen Ritualen und Feierlichkeiten. Viele davon sind längst in Vergessenheit geraten oder werden heute kaum noch zur Kenntnis genommen. Darum ist es schön, wenn einige immer wieder in Mesum wie das Osterfeuer vom VMV erhalten und durch die Messdienergemeinschaft gepflegt werden. Bemerkenswert ist auch, dass die Pfarrgemeinde in ihrer Liturgie am Gründonnerstag nachmittags die Kommunionkinder einlädt, die Fußwaschung während es Gottesdienstes wieder mitzuerleben.

Vor allem die Kirchenglocken spielten in den alten Osterbräuchen wiederholt eine wichtige Rolle. Das Läuten war immer die Aufgabe des Küsters. So sah es seine Dienst- und Vergütungsordnung vor. Sondereinsätze wurden extra entlohnt. So bewilligte der Kirchenvorstand 1877 dem Küster eine Zusatzzahlung von drei Mark für „das Läuten bei sämtlichen Tedeums“ im Jahr. Leider wird im Protokoll vom 19. August 1877 nicht festgehalten, wie oft und wann das vorkam. 1949 beschloss der Kirchenvorstand, dass zu den ständigen Aufgaben des Küster Hubert Kamp wohl das Läuten. Aber Kirchplatz und Friedhof müsse er nicht in Ordnung halten. Gerade wenige Wochen, am Weihnachtsfest 1948, hatte die Gemeinde drei neue Glocken erhalten, die das alte Geläut ersetzten, dass 1942 für Kriegszwecke zwangsweise abgeliefert werden musste.

Das Läuten geschah damals von Hand und war eine anstrengende Arbeit. Vor allem die großen Glocken mit dem Seil in Bewegung zu setzen und im Takt wohlklingend im Ton zu halten, erforderte nicht nur Kraft, sondern vor allem Geschick und Können. Geläutet wurde zu allen Gottesdiensten und kirchlichen Feiern mindestens eine Viertel Stunde vorher; an besonders hohen Festtagen mit allen Glocken. Dann brauchte der Küster regelmäßig Hilfe. Dazu holte er sich oft die Messdiener. Und wehe, wenn einer von den Knirpsen nicht den richtigen Rhythmus hielt.

Das änderte sich dann vor genau 50 Jahren grundlegend. Am 18.Februar 1959 beschloss der Kirchenvorstand die Anschaffung „eines elektrischen Glockengeläutes“. Der Auftrag wurde an die Fachfirma Bockelmann & Kuhlo in Herford vergeben. Die Installationsarbeiten führte vier Wochen später der Mesumer Elektromeister Franz Bühner aus. Jetzt genügte ein Knopfdruck, um das Geläut in Gang zu setzen. Wenn es nicht automatisch zu vorher bestimmten Zeiten einprogrammiert ertönte.

In der Karwoche erklangen die Glocken nur bis Gründonnerstag. Die Gottesdienstordnung und Liturgie waren, so wissen wir aus Aufzeichnungen von Pfarrer Franz Römer (1904 Pfarrer, 1926 erster Dechant im neuen Dekanat Rheine, 1930 plötzlich verstorben), für diesen Tag „schon am Palmsonntag zu publizieren: Gründonnerstag wird um 1/2 7 Uhr die hl. Kommunion ausgeteilt. Das Hochamt ist um 7 Uhr und während desselben wird ebenfalls die hl. Kommunion ausgeteilt. Nach dem Hochamt wird das hl. Sakrament im Grabe ausgesetzt und es Abends um 7 Uhr ist Andacht. Die Gläubigen werden gebeten, während des Tages das hl. Sakrament fleißig zu besuchen.“

Festgelegt waren dafür „die Betstunden für die Kinder“, jeweils eine Stunde lang. Sie begannen von 9 bis 10 Uhr für „die jetzt entlassenen Knaben“ und endeten von 13 bis 15 Uhr für „die Mädchenschule“ und „die Knabenschule“. Die Kollekte in der Andacht war „für das hl. Grab in Jerusalem und für den Verein vom hl. Land“.

Nach dem Gloria des Gottesdienstes am Gründonnerstag schwiegen die Glocken und verstummten bis zur Auferstehungsfeier am ersten Ostertag. „De Glocken sin nao Rom fluogen“, erklärten die Eltern ihren Kindern das plötzliche Verstummen. In Rom würden sie dabei vom Papst geweiht und neu gestimmt, um dann zu Ostern umso feierlicher und reiner erklingen zu können. Oder man ließ es bei der kurzen Erklärung: „De Glocken sin daut“ und mit gekreuzigten Jesus im Grab. Mit den Glocken blieben auch die kleinen Klingeln und feinen Glöckchen während der Messfeier still.

Stattdessen übernahmen dann hölzerne Klappern oder Kraken die Begleitung im Gottesdienst. Bei diesem Glockenersatz schlugen die Messdiener ein kleines Gestell aus Holz mit der Hand auf und ab, wobei ein hölzerner Hammer jedesmal klappernd auf ein Brett fiel. In Mesum ertönte dieses helle Klipp-Klapp noch bis zu den 1960-er Jahren in der Kirche. Hermann Reckels beschreibt in seiner „Volkskunde des Kreises Steinfurt“ 1932, dass „in Mesum vor 40 Jahren die Messdiener gleich nach Mitternacht am Ostermorgen mit ihren Kraken von Tür zu Tür zogen und die Leute weckten mit dem Ruf ,Sin I wacker, off slaop I noch? — Christus ist auferstanden!'“


Nur ein Fotodokument von 1895 zeigt noch Reste des ehemaligen Kirchturms, in dem die Glocken der alten Kirche hingen


Ende 1948 erhielt die Mesumer Kirche neue
Glocken, die noch von Hand geläutet werden mussten


1959 wurde das Glockengeläut in Mesum elektrifiziert und automatisiert, was eine große Erleichterung für den Küster darstellte

Text und Bilder/Repros: Franz Greiwe