Amtlicher Ausrufer kam wie mehr als vor hundert Jahren

Da schaute doch manch Kirchgänger am Sonntagmittag verdutzt, als er kurz vor 12 Uhr nach der letzten Messe die Kirche verließ. Vor dem Gasthaus „Zum Schwan“ stand in historischer Uniform ein Ausrufer und verkündete wie vor mehr als hundert Jahren amtliche Nachrichten für die Mesumer. Mit dieser spektakulären Reminiszenz an Mesums jüngere Vergangenheit machte der Arbeitskreis „Ortsgestaltung“ auf das Anbringen von Bronzetafeln an historischen Bauwerken aufmerksam.

Für diese offizielle Vorstellung der informativen Bronzetafeln hatte sich der AK die Tafel „Ausrufer“ am „Schwan“ ausgesucht. Sie hebt sich von den übrigen dadurch ab, dass sie einmal den Textteil auf einer gesonderten Tafel enthält und dass darüber ein Flachrelief mit dem Bild des Ausrufers, wie er früher ausgesehen haben mag, hängt. Das Bildnis schuf der Mesumer Bildhauer Werner Bruning.

Horst Strotmann schlüpfte an diesem Morgen in die Rolle des Ausrufers, der in früheren Zeiten nach dem Hochamt vor der Kirche die neuesten Gemeindenachrichten dem aufmerksam lauschenden Publikum verkündete: Gesetzestexte, amtliche Verlautbarungen, Termine für Steuerzahlungen, aber auch mal private und vereinliche Mitteilungen. Der letzte Ausrufer versah in Mesum noch bis in die Anfänge der 1950-er Jahren diesen öffentlich-amtlichen Bekanntmachungsdienst.

Nicht nur im Auftreten, sondern auch in Sprache und Diktion der amtlichen Verlautbarung hielt sich Strotmann, der auch im Klein-Berliner Karneval in der Rolle des „Ausrufers“ auftritt, an die Zeit des 19. Jahrhunderts. Er stand wie damals auf einem kleinen Steinblock, damit ihn die Leute besser sehen und hören konnten, was er zu verkünden hatte.

Alfred Prus kam danach als Vorsitzender des VMV dem Anlass angemessen als münsterländischer Kiepenkerl. Er wies auf die übrigen neun Tafeln hin, die an verschiedenen historischen Gebäuden hängen. Dank großzügiger Spenden sei die Finanzierung aller möglich geworden. Nicht nur für die Spender und Helfer, sondern für alle Gäste hatte er dann in seiner großen Kiepe einen leckeren Tropfen.


Die beiden neuen Bronzetafeln; unten der Textteil, darüber das Flachrelief, eine Arbeit des Bildhauers Werner Bruning


Ausrufer Horst Strotmann und Kiepenkerl Alfred Prus bei der offiziellen Vorstellung der neuen Bronzetafeln


Das Publikum verfolgte aufmerksam wie damals vor vielen Jahren das Verlesen der amtlichen Nachrichten durch den Ausrufer

Bekanntmachung am 1. April 2007
Infolge der Verordnung und Verfügung des hochverehrten Stadtteilbeirates Mesum, des Verbandes Mesumer Vereine und des Heimatvereins Mesum gebe ich allen hier Versammelten kund und zu wissen,
dass vom hochwohllöblichen Arbeitskreis „Ortsgestaltung“ am heutigen Sonntage nach geendigtem Gottesdienste vorschriftsmäßig im Kirchspiel Mesum folgende amtliche Bekanntmachung Statt gehabt hat und allenthalben verkündigt ist:

1. Diese bronzene Informationstafel mit dem Halbrelief des „Mesumer Ausrufers“ darüber, gefertigt von kunstfertiger Hand des allhier im Kirchspiel zu Mesum wohnenden Künstlers und Bilderschneiders Werner Bruning, wird von selbiger Stunde an der geneigten Bürgerschaft und allen Eingesessenen von Mesum zu deren Freude und erbaulichem Nutzen gewidmet. Die geneigte Öffentlichkeit wird damit zugleich diesem Kunstwerk gegenüber zu allem schuldigen Respekt, zu gehorsamster Beachtung und sorgfältigster Achtung verpflichtet.

2. Ich beehre mich der geneigten Bürgerschaft und allen Eingesessenen von Mesum hier zufolge der eben erwähnten Verfügung anzuzeigen, was denn auf der Tafel vermerket und zu lesen ist:
Gemeindeausrufer
„In früheren Zeiten ließ die Obrigkeit alle Gesetzestexte, amtlichen Verlautbarungen und neuen Gemeindenachrichten nach dem sonntäglichem Hochamt durch den Vogt, einen Polizeidiener oder Gemeindemitarbeiter öffentlich verkünden. Dieser Ausrufer stand dabei auf einem kleinem Podest vor dem Gasthaus „Zum Schwan“. Mitunter verschaffte er sich mit einer kleinen Glocke gebührende Aufmerksamkeit. Der letzte Ausrufer versah sein Amt noch bis zu den 1950-er Jahren.“

3. Ferner übergibt der hochwohllöbliche Arbeitskreis „Ortsgestaltung“ in gleicher Weise und ebenso großem Eifer am selbigen Tage von heute alle weiteren sechs neuen und drei etwas älteren Bronzetafeln, die da geschrieben, gegossen und angebracht wurden zur größeren Ehre Mesums und zur allgemeinen Erbauung und zur Wissensmehrung der Mesumer über ihren schönen Heimatort, seine Geschichte und die der altwehrwürdigen Denkmale, an denen diese Tafeln angeschlagen wurden.

4. Verfügt und publizieret wird ferner, dass diese Bronzetafeln von allen Mesumer Eingesessenen wenigstens einmal in ihrem Leben besucht und gelesen werden müssen. Daher gebe ich kund zu wissen, wo sich eben diese angeheftet befinden:
an der neuen und alten Kirche, am Bildstock des hl. Lazarus, an der 5. Kreuzwegstation an der Nielandstraße, am HOT Alte Dame, am Josef-Kamp-Haus, am Spieker und an den Bronzefiguren „Feldpogge“ und „Schmachtlapp“. Eine weitere bereits fertig produzierte Tafel wird schon in Bälde hängen am alten Pastorat.

Mesum, im Jahre des Herrn 2007 am Tage des 1. April

Text und Bilder: Franz Greiwe