Würdige Neugestaltung der Gräber der Zwangsarbeiter und ihrer Kinder

Seit einigen Monaten widmet sich die Mesumer Geschichtswerkstatt (MGW) einem besonderen Thema, das in Mesum jahrzehntelang in Vergessenheit geriet und damit aus dem Blickfeld verschwand: Es geht um die Gräber der Kinder von Zwangsarbeitern, die während des letzten Weltkrieges aus Nachbarländern nach Deutschland verschleppt wurden. Sie kamen vor allem aus Polen und der Sowjetunion und mussten auch in Mesum Zwangs- und Sklavenarbeit verrichten.

Während die Gräber der hier zwischen 1942 und 1945 verstorbenen erwachsenen Zwangsarbeiter, neun Männer und eine Frau, auf dem Mesumer Friedhof erhalten blieben und am Seitenweg zur alten Kirche angelegt sind, verschwanden die Gräber der Kinder von der Friedhofsfläche. Völlig zu Unrecht, wie Günter Achterkamp bei seinen Recherchen für die GWM dazu feststellen konnte. Denn für sie gibt es ein gesetzlich garantiertes Ruherecht.

Ein Glücksfall war das Vorhandensein einer Liste bei der Stadt Rheine mit allen Namen der 19 Kinder, die hier einst bestattet wurden. Es handelt sich hierbei um 20 Säuglinge und Kleinkinder, die 1943/44 geboren wurden und verstarben. Darunter ist ein unbekannter Säugling, eine Totgeburt. Anliegen der GWM ist es mitzuhelfen, dass für sie alle neben der Gräberreihe der erwachsenen Zwangsarbeitern eine würdige Gedenkstätte entsteht oder ein Mahnmal errichtet wird, das an diese barbarischen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes dauerhaft erinnert.

Inzwischen fand auf Initiative und Anregung der GWM ein erster Ortstermin statt, der alle beteiligten Stellen und Ämter zusammenbrachte und an dem Mathias Hörsting von der Stadtverwaltung, Pfarrer Felix Schnetgöke für die Pfarrgemeinde als Friedhofsträger, Wolfgang Held von der Landesgeschäftsstelle des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Essen, Bünyamin Aslan als Bezirksgeschäftsführer des Volksbundes Münster und Vertreter der GWM teilnahmen.

Dank der aufmerksamen Mitarbeit älterer Mesumer Bürger und Zeitzeugen und zweier sachverständiger Bürger aus Eschendorf war es möglich, die alte Anlage der früheren Kindergräber auf dem vorderen Teil des Friedhofes an der Südseite der alten Kirche genau zu identifizieren: Sie lagen in drei Reihen gleich westlich der heutigen Erwachsenengräber. Bei diesem Ortstermin empfahlen die Gesprächsteilnehmer einvernehmlich verschiedene Maßnahmen, die bis zum Herbst 2011 umgesetzt werden sollen.

Dazu gehört im Einzelnen: Die Gräber der Kinder werden wieder kenntlich gemacht und dokumentiert. Da eine Grabzuordnung nicht mehr möglich ist, soll ein gemeinsamer Grabstein, z.B. in Form einer Stele, mit den Namen und Daten der 19 Kinder und dem Zusatz „Ein unbekannter Säugling“ aufgestellt werden. Die neu gefasste Gräberfelder für die Kinder und Erwachsenen wird als eine Einheit betrachtet und wird gärtnerisch neu gestaltet. Auf die Grabsteine der Erwachsenen wird das jeweilige Heimatland eingemeißelt.

Der Volksbund und die Stadt Rheine führen diese Neugestaltung nach gesetzlichem Auftrag sowie der Kostenregelung nach dem Gräbergesetz aus öffentlichen Mitteln gemeinsam durch. Die Grabanlage wird durch den Volksbund mit einer Geschichtstafel gekennzeichnet. Bei der Ausführung der inhaltlichen Gestaltung ist die Stadt durch Stadtarchivar Dr. Gießmann vertreten. Die GWM beteiligt sich daran. Das „Projekt Legendentafel“ des Volksbundes, in das die Mesumer Anlage einbezogen wird, wird aus öffentlichen Mitteln gefördert.

Ein weitere künstlerische Gestaltung kann durch die Bürgerschaft in Mesum mit Hilfe von Sponsoren vorgenommen werden. Das wäre ein zugleich wichtiger Beitrag in der Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte vor Ort, gegen das Vergessen von Unrecht, für Demokratie und Frieden und ein sichtbares, nachhaltiges Zeichen der Versöhnung. Das ist ein Ziel der Arbeit und der Anteil der GWM.

Nach Abschluss aller Maßnahmen soll die umgestaltete Gräberanlage im Rahmen einer gemeinsamen würdigen Gedenkveranstaltung von Stadt, Volksbund und Gemeinde durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Hierzu wird letzterer die diplomatischen/konsularischen Vertretungen aus Russland, Weißrussland, Ukraine, Polen, Niederlande, Belgien und Tschechien – aus diesen Ländern kamen die in Mesum Bestatteten – einladen.


Beim Treffen vor Ort auf dem Mesumer Friedhof mit v.l. Bünyamin Aslan, Günter Achterkamp, Pfarrer Felix Schnetgöke, Wolfgang Held und Mathias Hörsting

Text und Bild: Franz Greiwe